Finanzierung durch den Staat: Unterschied zwischen den Versionen

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(Rechtliche Grundlagen)
(Kritik, Update der Zahlen)
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2011: 56.592.000 €
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2020: 65.752.000 € nur an die Katholische Kirche, [https://www.derstandard.at/story/2000118839994/kirchen-erhalten-mehr-geld-vom-staat um ca. 3,5 Mio. €/Jahr erhöht], und zwar nachträglich, mit einer Nachzahlung für 2018 und 2019.  
2020: 65.752.000 € nur an die Katholische Kirche, 2020 [https://www.derstandard.at/story/2000118839994/kirchen-erhalten-mehr-geld-vom-staat um ca. 3,5 Mio. €/Jahr erhöht], und zwar nachträglich, mit einer Nachzahlung für 2018 und 2019.  


==== Der Religionsfonds ====
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==== Rechtliche Grundlagen der Zahlungen ====
==== Rechtliche Grundlagen der Zahlungen ====
Katholische Kirche: [https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10010025 Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und Österreich zur Regelung von vermögensrechtlichen Beziehungen], Artikel II
Katholische Kirche: [https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10010025 Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und Österreich zur Regelung von vermögensrechtlichen Beziehungen], Artikel II; [https://www.bundeskanzleramt.gv.at/dam/jcr:f688d47d-fa89-4e97-90f6-9be79bf8948f/26_30_vert.pdf 7. Zusatzvertrag zum Vermögensvertrag]


Evangelische Kirche: [https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10009255 Bundesgesetz vom 6. Juli 1961 über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche], § 20
Evangelische Kirche: [https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10009255 Bundesgesetz vom 6. Juli 1961 über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche], § 20
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==== Höhe der Zahlungen und Berechnung ====
==== Höhe der Zahlungen und Berechnung ====
Neben einem gesetzlich festgelegten Betrag wird jeweils eine Anzahl von Stellen mitfinanziert, deren Wert vom jeweiligen Bezug von Beamten nach dem staatlichen Besoldungsschema abhängt. Damit ist schon eine Inflationsanpassung automatisch gegeben. Zusätzlich wird z. B. die Zahlung an die Katholische Kirche regelmäßig in [https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20006521 Zusatzverträgen mit dem Vatikan] angepaßt (immer nach oben).
Neben einem gesetzlich festgelegten Betrag wird jeweils eine Anzahl von Stellen mitfinanziert, deren Wert vom jeweiligen Bezug von Beamten nach dem staatlichen Besoldungsschema ("Gehalt eines Bundesbeamten der Verwendungsgruppe A, Dienstklasse IV, 4. Gehaltsstufe zuzüglich Sonderzahlungen und Teuerungszuschlägen") abhängt. Damit ist bei diesem Teil eine jährliche Inflationsanpassung automatisch gegeben. Zusätzlich wird die Fixzahlung regelmäßig angepaßt, wenn die Inflation seit der letzten Erhöhung jeweils 20 % erreicht hat. Das beschließt die Regierung und legt die entsprechenden Gesetze dem Nationalrat vor.
 
===== Kritik =====
Diese Zahlungen wurden in den 1960-er-Jahren, also zu einer Zeit festgelegt, in der praktisch niemand außerhalb dieser vier Religionsgemeinschaften in Österreich lebte. Es war damals wohl auch nicht vorstellbar, daß sich das ändern könnte. Heute beträgt der Anteil der Angehörigen dieser Religionsgemeinschaften jedoch kaum mehr als 60 % (ca. 30 % Konfessionslose, 7-9 % Muslime, Orthodoxe Christen, Zeugen Jehovas, christliche Freikirchen, Buddhisten, weitere Religionsgemeinschaften). Es gibt keine Mechanismen, um die Zahlungen an die tatsächliche Anzahl der Anhänger der jeweiligen Religion anzupassen.  
 
Die Begründung der Zahlungen ist, daß sie eine Entschädigung an die Opfer des Nationalsozialismus darstellen. Es stellt sich jedoch Frage, welche Rolle diese "Entschädigung" mehr als 80 Jahre später in einer komplett veränderten Situation noch spielt, und ob sie nicht schon mehrmals geleistet wurde und irgendwann abgezahlt ist. Entschädigungen an Menschen orientieren sich ja an einem konkreten Schaden oder enden notwendigerweise mit dem Tod dieser Menschen. Im Versicherungsrecht gilt, dass die Entschädigung für einen Schaden nicht höher als der Schaden sein darf.
 
Es wäre längst die Pflicht des Gesetzgebers gewesen, den entstandenen Schaden exakt zu berechnen und die Zahlungen einzustellen, sobald die Entschädigung geleistet ist.

Version vom 8. Dezember 2020, 17:56 Uhr

Anlehnend an das hervorragend recherchierte, aber leider schon etwas ältere Buch "Gottes Werk und unser Beitrag - Kirchenfinanzierung in Österreich" von Carsten Frerk und Christoph Baumgarten listen wir hier die finanziellen Leistungen, die der Staat Österreich bzw. Bundesländer aus Steuermitteln an Religionsgemeinschaften und für religiöse Zwecke ausgeben oder auf welche Einnahmen sie verzichten.

Direkte Zahlungen

Der Bund zahlt auf Basis des Vermögensvertrags von 1960 und Zusatzverträgen direkt an die Katholische, die Evangelische und die Altkatholische Kirche sowie an die Israelitische Kultusgemeinde. Ursprünglicher Grund dafür ist der Religionsfonds.

2011: 56.592.000 €

2020: 65.752.000 € nur an die Katholische Kirche, 2020 um ca. 3,5 Mio. €/Jahr erhöht, und zwar nachträglich, mit einer Nachzahlung für 2018 und 2019.

Der Religionsfonds

Dieser Fonds 1782 wurde vom "aufgeklärt absolutistischen" Kaiser Joseph II. eingerichtet, der das Kirchenvermögen neu strukturierte. Das Ziel war, die Bezahlung der Geistlichen und die Aufrechterhaltung der Kirchengebäude sicherzustellen. Zusätzlich behielt die Kirche natürlich eine Menge Land, die sie auch heute noch hat.

Dies war eine Zeit, in der die Grundbesitzer noch Lehensherren waren und recht vollständig über ihre "Untertanen" herrschten: Diese hatten weder freie Berufswahl noch Reisefreiheit; selbst für die Eheschließung brauchten sie die Zustimmung ihrer Lehensherren, die in vielen Fällen die Katholische Kirche war. Im Jahrhundert davor wurde der Dreißigjährige Krieg geführt, nach diesem wurden große Gebiete in Österreich mit Gewalt rekatholisiert. Das ist der historische Hintergrund, wenn es um die Herkunft von kirchlichem Grundbesitz geht. Was auf den Lehen/Besitzungen erwirtschaftet wurde, kam also aus der Ausbeutung von Menschen.

Der Religionsfonds wurde dann über die Jahre weitergeführt. Ab 1885 reichten die Erlöse aus dem Fonds für die Finanzierung der Kirchen nicht mehr aus, der Staat begann zuzuschießen. Insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg führte die Geldentwertung zu weiteren Wertverlusten.

Nach dem Einmarsch der Nazis wurde der Religionsfonds 1939 aufgelöst. Als Ersatz dafür wurde den Religionsgemeinschaften die Möglichkeit gegeben, selbst von ihren Mitgliedern Kirchenbeiträge einzuheben. Auch wenn die Nazi-Diktatur dafür sorgte: dies ist die einzige vernünftige und gerechte Finanzierungsform im Kontext der Vielfalt von Religionen und der damals schon wachsenden Anzahl von Menschen ohne religiöse Bekenntnis.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wollten die Kirchen in Österreich beides haben: Erlöse aus einem Religionsfonds und weiter den Kirchenbeitrag einheben. Dies führte dazu, dass später Verträge mit dem Vatikan und den Religionsgemeinschaften geschlossen wurden, die die Zahlungen regeln.

Rechtliche Grundlagen der Zahlungen

Katholische Kirche: Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und Österreich zur Regelung von vermögensrechtlichen Beziehungen, Artikel II; 7. Zusatzvertrag zum Vermögensvertrag

Evangelische Kirche: Bundesgesetz vom 6. Juli 1961 über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche, § 20

Israelitische Religionsgesellschaft: Gesetz vom 21. März 1890, betreffend die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der israelitischen Religionsgesellschaft, § 14

Altkatholische Kirche: Bundesgesetz vom 26. Oktober 1960 über finanzielle Leistungen an die altkatholische Kirche

Höhe der Zahlungen und Berechnung

Neben einem gesetzlich festgelegten Betrag wird jeweils eine Anzahl von Stellen mitfinanziert, deren Wert vom jeweiligen Bezug von Beamten nach dem staatlichen Besoldungsschema ("Gehalt eines Bundesbeamten der Verwendungsgruppe A, Dienstklasse IV, 4. Gehaltsstufe zuzüglich Sonderzahlungen und Teuerungszuschlägen") abhängt. Damit ist bei diesem Teil eine jährliche Inflationsanpassung automatisch gegeben. Zusätzlich wird die Fixzahlung regelmäßig angepaßt, wenn die Inflation seit der letzten Erhöhung jeweils 20 % erreicht hat. Das beschließt die Regierung und legt die entsprechenden Gesetze dem Nationalrat vor.

Kritik

Diese Zahlungen wurden in den 1960-er-Jahren, also zu einer Zeit festgelegt, in der praktisch niemand außerhalb dieser vier Religionsgemeinschaften in Österreich lebte. Es war damals wohl auch nicht vorstellbar, daß sich das ändern könnte. Heute beträgt der Anteil der Angehörigen dieser Religionsgemeinschaften jedoch kaum mehr als 60 % (ca. 30 % Konfessionslose, 7-9 % Muslime, Orthodoxe Christen, Zeugen Jehovas, christliche Freikirchen, Buddhisten, weitere Religionsgemeinschaften). Es gibt keine Mechanismen, um die Zahlungen an die tatsächliche Anzahl der Anhänger der jeweiligen Religion anzupassen.

Die Begründung der Zahlungen ist, daß sie eine Entschädigung an die Opfer des Nationalsozialismus darstellen. Es stellt sich jedoch Frage, welche Rolle diese "Entschädigung" mehr als 80 Jahre später in einer komplett veränderten Situation noch spielt, und ob sie nicht schon mehrmals geleistet wurde und irgendwann abgezahlt ist. Entschädigungen an Menschen orientieren sich ja an einem konkreten Schaden oder enden notwendigerweise mit dem Tod dieser Menschen. Im Versicherungsrecht gilt, dass die Entschädigung für einen Schaden nicht höher als der Schaden sein darf.

Es wäre längst die Pflicht des Gesetzgebers gewesen, den entstandenen Schaden exakt zu berechnen und die Zahlungen einzustellen, sobald die Entschädigung geleistet ist.