Finanzierung durch den Staat
Anlehnend an das hervorragend recherchierte, aber leider schon etwas ältere Buch "Gottes Werk und unser Beitrag - Kirchenfinanzierung in Österreich" (abgek. GWuuB) von Carsten Frerk und Christoph Baumgarten listen wir hier die finanziellen Leistungen, die der Staat Österreich bzw. Bundesländer aus Steuermitteln an Religionsgemeinschaften und für religiöse Zwecke ausgeben oder auf welche Einnahmen sie verzichten.
Direkte Zahlungen
Der Bund zahlt auf Basis des Vermögensvertrags von 1960 und Zusatzverträgen direkt an die Katholische, die Evangelische und die Altkatholische Kirche sowie an die Israelitische Kultusgemeinde. Ursprünglicher Grund dafür ist der Religionsfonds.
2011: 56.592.000 €
2020: 71.985.355 €
Davon: 66.835.250 € allein an die Katholische Kirche, 2020 um ca. 3,5 Mio. €/Jahr erhöht, und zwar nachträglich, mit einer Nachzahlung für 2018 und 2019.
Vorschau 2021: Der fixe Teil der Zahlung um ca. 7 Mio. (Nachzahlung 2018-2019) weniger, aber um die Erhöhung der Beamtengehälter mehr, also ca. 65 Mio. €.
Der Religionsfonds
Dieser Fonds 1782 wurde vom "aufgeklärt absolutistischen" Kaiser Joseph II. eingerichtet, der das Kirchenvermögen neu strukturierte. Das Ziel war, die Bezahlung der Geistlichen und die Aufrechterhaltung der Kirchengebäude sicherzustellen. Zusätzlich behielt die Kirche natürlich eine Menge Land, die sie auch heute noch hat.
Dies war eine Zeit, in der die Grundbesitzer noch Lehensherren waren und recht vollständig über ihre "Untertanen" herrschten: Diese hatten weder freie Berufswahl noch Reisefreiheit; selbst für die Eheschließung brauchten sie die Zustimmung ihrer Lehensherren, die in vielen Fällen die Katholische Kirche war. Im Jahrhundert davor wurde der Dreißigjährige Krieg geführt, nach diesem wurden große Gebiete in Österreich mit Gewalt rekatholisiert. Das ist der historische Hintergrund, wenn es um die Herkunft von kirchlichem Grundbesitz geht. Was auf den Lehen/Besitzungen erwirtschaftet wurde, kam aus der Ausbeutung von Menschen.
Der Religionsfonds wurde dann über die Jahre weitergeführt. Ab 1885 reichten die Erlöse aus dem Fonds für die Finanzierung der Kirchen nicht mehr aus, der Staat begann zuzuschießen. Insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg führte die Geldentwertung zu weiteren Wertverlusten.
Nach dem Einmarsch der Nazis wurde der Religionsfonds 1939 aufgelöst. Als Ersatz dafür wurde den Religionsgemeinschaften die Möglichkeit gegeben, selbst von ihren Mitgliedern Kirchenbeiträge einzuheben. Auch wenn die Nazi-Diktatur dafür sorgte: dies ist die einzige vernünftige und gerechte Finanzierungsform im Kontext der Vielfalt von Religionen und der damals schon wachsenden Anzahl von Menschen ohne religiöse Bekenntnis.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wollten die Kirchen in Österreich beides haben: Erlöse aus einem Religionsfonds und weiter den Kirchenbeitrag einheben. Dies führte dazu, dass später Verträge mit dem Vatikan und den Religionsgemeinschaften geschlossen wurden, die die Zahlungen regeln.
Rechtliche Grundlagen der Zahlungen
Katholische Kirche: Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und Österreich zur Regelung von vermögensrechtlichen Beziehungen, Artikel II; 7. Zusatzvertrag zum Vermögensvertrag
Evangelische Kirche: Bundesgesetz vom 6. Juli 1961 über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche, § 20
Israelitische Religionsgesellschaft: Gesetz vom 21. März 1890, betreffend die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der israelitischen Religionsgesellschaft, § 14
Altkatholische Kirche: Bundesgesetz vom 26. Oktober 1960 über finanzielle Leistungen an die altkatholische Kirche
Höhe der Zahlungen und Berechnung
Neben einem gesetzlich festgelegten Betrag wird jeweils eine Anzahl von Stellen mitfinanziert, deren Wert vom jeweiligen Bezug von Beamten nach dem staatlichen Besoldungsschema ("Gehalt eines Bundesbeamten der Verwendungsgruppe A, Dienstklasse IV, 4. Gehaltsstufe zuzüglich Sonderzahlungen und Teuerungszuschlägen") abhängt. Damit ist bei diesem Teil eine jährliche Inflationsanpassung automatisch gegeben. Zusätzlich wird die Fixzahlung regelmäßig angepaßt, wenn die Inflation seit der letzten Erhöhung jeweils 20 % erreicht hat. Das beschließt die Regierung und legt die entsprechenden Gesetze dem Nationalrat vor.
Kritik
Diese Zahlungen wurden in den 1960-er-Jahren, also zu einer Zeit festgelegt, in der praktisch niemand außerhalb dieser vier Religionsgemeinschaften in Österreich lebte. Es war damals wohl auch nicht vorstellbar, daß sich das ändern könnte. Heute beträgt der Anteil der Angehörigen dieser Religionsgemeinschaften jedoch kaum mehr als 60 % (ca. 30 % Konfessionslose, 7-9 % Muslime, Orthodoxe Christen, Zeugen Jehovas, christliche Freikirchen, Buddhisten, weitere Religionsgemeinschaften). Es gibt keine Mechanismen, um die Zahlungen an die tatsächliche Anzahl der Anhänger der jeweiligen Religion anzupassen.
Die Begründung der Zahlungen ist, daß sie eine Entschädigung an die Opfer des Nationalsozialismus darstellen. Es stellt sich jedoch Frage, welche Rolle diese "Entschädigung" mehr als 80 Jahre später in einer komplett veränderten Situation noch spielt, und ob sie nicht schon mehrmals geleistet wurde und irgendwann abgezahlt ist. Entschädigungen an Menschen orientieren sich ja an einem konkreten Schaden oder enden notwendigerweise mit dem Tod dieser Menschen. Im Versicherungsrecht gilt, dass die Entschädigung für einen Schaden nicht höher als der Schaden sein darf.
Es wäre längst die Pflicht des Gesetzgebers gewesen, den entstandenen Schaden exakt zu berechnen und die Zahlungen einzustellen, sobald die Entschädigung geleistet ist.
Steuerliche Absetzbarkeit des Kirchenbeitrags
2012: ca. 120 Mio. €/Jahr
2020: vermutlich auch ca. 115 bis 125 Mio. €/Jahr
Pflichtbeiträge, die an anerkannte Religionsgemeinschaften gezahlt wurden, lassen sich bis 400 € von der Einkommenssteuer absetzen. Sie verringern also die Basis, von der die in Stufen berechneten Steuerbeträge berechnet werden. Dem Staat entgeht damit ein Betrag, der fast doppelt so hoch ist wie die Direktzahlungen, allerdings hier von allen Religionsgemeinschaften, die Pflichtbeiträge einheben.
(Ähnliche Absetzmöglichkeiten gibt es bei Spenden an wohltätige Vereine, die aber ihre Wohltätigkeit nachweisen und sich regelmäßig kontrollieren lassen müssen. Diese Pflicht gilt für die Religionsgemeinschaften nicht. Bis die Absetzmöglichkeit gegeben ist, dauert es auch mindestens 5 Jahre für die Vereine. Und: viele dieser Vereine sind unter kirchlicher Kontrolle.)
Berechnung
Die Zahl aus 2012 in "Gottes Werk und unser Beitrag" stammt aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage. Die Berechnungsmethode ist dort nicht erklärt.
Die gerundeten Beiträge, die in der Anfragebeantwortung angegeben sind, ändern sich zwischen 2009 und 2011 nicht, 2012 wurde der Absetzbetrag von 200 auf 400 € erhöht, was die Änderung erklärt. Die Einkommen und die daraus resultierenden Bemessungsgrundlagen steigen natürlich von Jahr zu Jahr, andererseits treten auch jedes Jahr Leute aus den Kirchen aus. Die Inflation und die Austrittsrate sind dabei in einer ähnlichen Größenordnung, sie dürften sich also ungefähr die Waage halten. Damit wird sich der Betrag eher nicht sehr stark ändern. Mehr Kirchenaustritte (in Prozent der Mitglieder) als die Inflationsrate können dazu führen, dass diese "negative Staatsleistung" abnimmt.
Eine Anfragebeantwortung aus 2020 enthält neuere Zahlen bis 2018, sowohl für Kirchenbeiträge als auch für abgesetzte Spenden.
Weitere Staatsleistungen für den Kirchenbeitrag
Der Staat verwaltet eigentlich komplett unnötig und in für den Datenschutz problematischer Weise die Religionszugehörigkeit von Menschen. Diese ist bei sehr vielen Menschen in Österreich nicht einmal selbstbestimmt, sondern von den Eltern vorgegeben.
Diese Informationen liefert das staatliche Meldewesen an die Religionsgemeinschaften, die sie nutzen können, um ihre "Mitglieder" (also Leute, die in einem staatlichen Melderegister einen bestimmten Text eingetragen haben) zur Zahlung des Kirchenbeitrags zu verpflichten. Die Religionsgemeinschaften sparen sich damit einen enormen Aufwand (und damit Kosten) in der Mitgliederverwaltung, Registrierung neuer Mitglieder, Erfassung von Umzügen etc. Sie nutzen die Daten aus dem staatlichen Meldewesen sogar, um über zugezogene Menschen mit eingetragener Religionszugehörigkeit benachrichtigt zu werden und bei den Schwesterkirchen in den Herkunftsländern zu fragen, ob dieser Mensch getauft ist. Für manche Leute, die sich in Österreich niederlassen, ist die Zahlungsaufforderung der Kirche einer der ersten eintreffenden Briefe (GWuuB, S. 47).